Zur Petition «Keine Gewalt am feministischen Streiktag!»
Die Statements werden alle in ungekürzter, anonymisierter Form weitergegeben. Kleinere sprachliche Korrekturen wurden vorgenommen. Die geschilderten Eindrücke wurden von uns gesammelt, spiegeln aber nicht zwingend die Haltung des Feministischen Streiks Basel wider.
***Triggerwarnung (Gewalt, sexualisierte Gewalt)***
«Sobald ich meine Augen schliesse sehe ich ihn vor mir, sehe, wie er in Vollmontur seinen Schlagstock zückt, höre innerlich das Klacken. Es sind die Willkür und die Gewaltbereitschaft, die mir Angst machen. Ich fühle mich ohnmächtig und bin wütend über dieses offensichtlich sexistische und diskriminierende Verhalten, welches so sinnbildlich für das System steht, in dem wir noch immer leben.»
«Sexistisches und gewalttätiges Verhalten der Polizei an einer Demo gegen Sexismus und Gewalt an Flint*Personen:
- Die Aussage eines Polizisten: Fünf “Stück” sollen mitkommen zur ID-Kontrolle
- Ein Polizist nahm Blickkontakt mit einer Person auf, griff sich dabei in den Schritt und danach an den Schlagstock
- Der wegen dem 2 stündigen Kessel entstandene Pinkel-Ecken wurde von der Polizei gefilmt
- Einer Person wurde beim Abführen an die Brust gefasst
- Eine Person wurde von sechs Polizisten ungewarnt von hinten gepackt und umkreist, und hat nun einen Bluterguss am Arm»
Wo soll ich beginnen. Es fällt mir schwer, diesen Text sachlich und objektiv zu schreiben, da es mich sehr persönlich und emotional betrifft, doch ich werde es versuchen:
Ich (22) war eine der Frauen, die auf der Johanniterbrücke kontrolliert wurden. Ich war (leider) nicht informiert über diese Demonstration, sondern lief per Zufall bei der Mittleren Brücke dazu. Ich entschied mich, dabei zu bleiben und mitzulaufen. Die Stimmung war gut, mit Frauen* und Kindern allen Alters. An einem Punkt hörte ich entfernt ein Megafon, jedoch verstand ich nichts. Ich vermutete, dass es von seitens der Polizei kam, war aber nicht sicher, da die Musik laut war. Auf die Durchsage von den Organisierenden verliessen wir die Mittlere Brücke und ich wog mich in Sicherheit, da wir uns ja an die Forderung, die Mittlere Brücke zu verlassen hielten. Ich hatte zuvor schon mit meinem Freund abgemacht und wir wollten uns bei der kleinen Freiheit treffen. Er fuhr mit Abstand und mit dem Fahrrad der Demo hinterher. Plötzlich ging alles schnell. Ohne Vorwarnung waren wir eingekesselt. Noch immer hatte ich keine Ahnung, dass ich offenbar etwas «falsch» gemacht hatte.
Dieser offensichtlich übertriebene Einsatz, diese unverschämte Machtdemonstration, die in keiner Weise angebracht war, hat nun dazu geführt, dass ich, mein Freund und wahrscheinlich ca. 300 andere Personen eine Busse von 100.- erhalten haben. Wegen «Sichaufhalten in einer Menschenansammlung».
Was ist mit den anderen, bewilligten Demos des selben Tages? Waren das keine Menschenansammlungen? Oder die tolerierten (sehr wichtigen) Black Lives Matter Demos?
Wie soll dies nun rechtlich vertreten werden? Mein Freund hielt sich Beispielsweise zu keinem Zeitpunkt in der Menschenansammlung auf.
Diese Bussen wurden keineswegs ausgeteilt wegen den Corona-Regeln. Sie sind nur stellvertretend für eine weitere Machtdemonstration und Sinnbild der Frustration seitens der Polizei. Wo bleibt die Verhältnismässigkeit? Man kann nicht am einen Tag Demonstrationen von mehreren Tausend Personen tolerieren und am anderen 300 Personen wegen den Abstandsregeln Büssen. Dieses Verhalten zeigt einmal mehr, dass die Missstände durch Corona betoniert und sogar noch gerechtfertigt werden. Und wieder sind es die Frauen*, die ungerecht behandelt werden. Die Medienpräsenz ist klein, der Frauenstreik «nicht mehr aktuell», obwohl sich NICHTS geändert hat seit letztem Jahr. Also interessierts es keinen und die Polizei hat freie Laufbahn.
Bei meiner Kontrolle wurde mir nichts bezüglich der Konsequenzen gesagt. Es sei lediglich eine Personenkontrolle. Nun, knapp 1,5 Wochen später erhalte ich eine Busse im Briefkasten.
In den Medien rechtfertigt die Polizei das Vorgehen mit dem «Blockieren des Verkehrs durch die Demonstrierenden». Woraufhin die Polizei selbst den Öffentlichen- sowie den Privatverkehr für gleich mehrere Stunden blockiert. Und dann erhalte ich eine Busse wegen Aufhalten in einer Menschenansammlung? Wo bleibt der Zusammenhang mit dem Einschreiten der Polizei?
„Es fällt mir schwer in Worte zu fassen was am Sonntag passiert ist und was dies bei mir ausgelöst hat, die erniedrigenden Gefühle lassen sich kaum in Worte fassen, dennoch versuche ich es mit den folgenden Sätzen:
Fern von jeglichen Relationen – das ist dass erste was mir in den Sinn kommt, wenn ich an das Grossaufgebot Seitens der Polizei denke, die eine kleine friedliche TINF* Demonstration am Sonntagnachmittag des nationalen Frauen*streiktags aufgelöst hat und jede:r einzelne Teilnehmer:in kontrolliert und fotografiert wurde. Die Gefühle, welche zurückbleiben sind Trauer, Schmerz, Unsicherheit und Wut über diese Ungerechtigkeit. Immer wieder stell ich mir die Frage wieso? Wieso wurden wir in diesem unverhältnismässigen Polizeiaufgebot aufgelöst, wieso wurden wir alle kontrolliert und kriminalisiert, wieso kann sich die Polizei so etwas erlauben? Wieso?
Es gab keinen Moment auf der Brücke in dem ich mich Sicher gefühlt habe, ich wurde nicht wie eine gleichwertige Person behandelt und in dem uns die Polizei auseinander genommen hat und immer in der Überzahl uns einzeln, fern von Freund:innen kontrolliert hat, waren wir deren Macht ausgesetzt. Ich verstehe nicht, wie die Polizei hier im Recht sein konnte, ich verstehe nicht, wie sie ihr Verhalten begründen kann. Ich sehe nur Machtdemonstration und Ausnützung deren Rechte. Ich wünschte mir, dass die Menschen welche uns kontrolliert, erniedrigt und ungerecht behandelt haben wissen was ihr Verhalten bei vielen Demonstrant:innen ausgelöst hat, ich wünschte dass diese Menschen auch in uns Menschen sehen würden. Wir standen da um für eine Welt zu kämpfen, in der Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung kein Platz mehr hat und während wir dafür einstanden wurden wir diskriminiert, rassistisch und sexistisch behandelt und nicht ernst genommen. Das tut weh! Wo ist hier die Gerechtigkeit?”
Gemeinsam mit meinen Freund*innen schloss ich mich letzten Sonntag den sitzenden Frauen und queeren Menschen auf der mittleren Brücke an. Wir sassen nahe der grossbasler Seite und bekamen von Konflikten mit der Polizei nichts mit. Ich persönlich nahm den Protest als sehr friedlich und schön war. Nachdem getanzt und ein Gedicht vorgelesen wurde, meinte eine Stimme, dass wir nun gemeinsam zum Unispital gehen, um dort Solidarität für die Menschen in der Pflege auszusprechen. Ich fand das eine schöne Idee und ging zuvorderst mit. Nachdem wir vor dem Unispital geklatscht und gesprochen haben, gingen wir weiter. Auf der Johanniterbrücker fuhren plötzlich in einem schnellen Tempo Polizeiwesen auf uns zu, einige Menschen in Uniform sprangen raus und wir wurden wie Tiere eingekesselt und von beiden Seiten mit einem Band eingesperrt. Irgendwie ging das alles sehr schnell und ich fühlte mich unwohl. In meiner Erinnerung blieb uns keine Möglichkeit, die Demo friedlich aufzulösen. Wir konnten bloss gehen, indem wir unsere Namen angeben. Also blieben wir auf der Brücke. Mir war nicht besonders wohl, ich wusste nicht, was uns geschah, die Kommunikation war sehr schlecht. Plötzlich war da Frau Arslan, die uns nach unseren Forderungen fragte. Sie ging dann hin und her zwischen der Polizei und uns. Es fühlte sich für mich so an, als würden immer mehr Polizist*innen (aber vor allem Polizisten) kommen. Ich fühlte mich immer wie unwohler uns sehr bedroht. Auf der kleinbasler Seite sammelten sich Menschen an, warfen uns Essen und Trinken zu, sangen mit und für uns, klatschten und machten uns Mut. Das war sehr schön. Doch dennoch war ich am ganzen Körper angespannt und fühlt mich bedroht. Plötzlich war da wieder Frau Arslan. Wir waren gerade dabei, eine Lösung mit ihr zu suchen, da viele Menschen, so nahm ich das wahr, sich nicht mehr wohl zu scheinen fühlten und gehen wollten. Vielleicht ging es auch nur mir so. Aber ich wollte wirklich gehen und wusste nicht richtig, wie. Vor uns waren plötzlich vielen männliche Polizisten in Vollmontur und bewaffnet mit Gummischrott. Ich wollte weg. Plötzlich war ein Geschrei, Frau Arslan wurde weggetragen, ich sah im Augenwinkel ein Polizist nach seinem Schlagstock greifen. Ich hatte Angst und schrie, dass ich weg will und freiwillig mitkomme. Ich rannte los und ein Polizist mahnte mich, ich müsse neben ihm warten, bis ich abgeholt werden würde. Ich zitterte am ganzen Körper und fühlte mich unwohl. All diese bewaffneten Männer um mich herum wirkten sehr bedrohlich auf mich. Ich wollte wirklich nur noch weg. Dann kamen endlich zwei Polizisten und ich durfte mit ihnen mitgehen. Sie durchsuchten meinen Rucksack, machten ein Bild von meinem Ausweis und mir. Ich musste die Maske abnehmen. Dann durfte ich auf die andere Seite der Brücke. Dort warteten meine Freund*innen. Sie kamen auch raus. Eine weite. Ich unterdrückte meine Tränen, weil es mir peinlich war, dass ich solche Angst hatte. Doch ich zitterte noch immer am Körper. Dann ging ich kurz auf die Toilette, weil ich mich unwohl fühlte, mich unter der Blicken von all diesen männlichen Polizisten zu entblössen und meine Blase zu leeren. Nachdem ich aus der Johabar kam, gesellte ich mich zu einer Freundin und sprach mit ihr über das Erlebte. Neben uns auf der Kreuzung liessen einige Menschen ein Streifenwagen nicht durch und schrien lasst sie raus“. Auch ein Polizist schrie. Plötzlich rasten zwei Kastenwägen auf uns zu und Männer in Vollmontur sprangen raus. Alle schrien und ich begann zu weinen und rannte so schnell ich konnte weg. Ich lief zu der Wohnung einer Freundin, die glücklicherweise nicht weit weg von der Kreuzung wohnt, und klingelte an ihrer Tür. Erschrocken empfing sie mich- noch immer schreiend und weinend- in ihrem Heim. Ich war so froh, endlich nicht mehr auf der Strasse zu sein. Ich wollte nicht mehr raus und versteckte mich bei ihr in ihrem Zimmer. Ich rief meine Freund*innen an, um ihnen zu sagen, dass ich wohl auf bin. Nach einer Stunde traute ich mich wieder auf die Strasse und ging mein Fahrrad holen. Ich machte einen grossen Umweg, weil ich von weitem einen Polizisten sah, was mein Herz stehen liess. Ich wollte keinem Mann in Unform mehr begegnen. Gestern traute ich mich nicht an die Mahnwache. Es macht mich traurig, dass nachdem ich am Sonntag gemeinsam mit anderen Frauen und queeren Menschen mir die Strasse nehmen wollte, um für unsere Rechte einzustehen, ich mich nun nicht mehr gleich auf die Strasse traue wie davor. Ich bin mir meiner weisse, privilegierten Perspektive nun noch bewusster und schäme mich ein wenig, dass mich diese erlebte Polzeigewalt so mitnimmt, habe ich doch selten in meinem Leben so was erleben müssen. Als weisse, „ungefährlich“ wirkende Frau begegnen mir Männer in Uniform sonst anders. Ich finde es sehr wichtig, dass wir alle über solche Dinge sprechen, diese kritisch diskutieren, Erfahrungen teilen, unseren Emotionen Raum geben, aber dabei unsere eigenen Privilegien stets kritisch reflektieren.
Demo am 14. Juni 2020: Zwei oder drei Dinge, die ich beobachtet habe
„Ich kam etwas später auf die Mittlere Brücke. Wir haben uns auf den Bordstein gesetzt und noch einer Rede zugehört. Danach ging es schon weiter, Richtung Spital. Dass die Polizei zum Weiterzug aufforderte, habe ich gar nicht gehört. Vor dem Spital klatschten und jubelten wir – das fand ich sehr schön und wurde offenbar auch von einigen Pfleger*innen geschätzt, die uns aus den Fenstern und von den Balkonen des Spitalgebäudes zuwinkten.
Der Demo-Zug war immer friedlich, ich habe keine einzige Sprayerei, Sachbeschädigung oder irgendetwas gesehen, was ein Einschreiten der Polizei gerechtfertigt hätte, NICHTS.
Am Ende der Johanniterbrücke gab es vom vorderen Teil der Gruppe Schreie. Ich habe nicht verstanden, was genau passierte. Dann sah ich, wie die Polizei das gelbe Absperrband über die Strasse zog. Eine Freundin meinte danach, die Gruppe habe versucht einen Weg über die Treppe an den Rhein zu finden, weil sie gesehen haben, wie die Polizei sich daran machte, die Strasse abzusperren. Sie wurden dann aber von der Polizei gestoppt, deswegen die Schreie.
Gleich darauf kam über das Megafon die Durchsage: „Wir wollen die Demo jetzt beenden und friedlich auflösen.“ Auch ich dachte: Na gut, dann gehen wir jetzt halt zurück und nach Hause. Als ich mich umdrehte, kamen schon Polizisten und Polizeiautos von der anderen Seite über die Brücke und sperrten sie ab. Ich habe keine Warnung vor einer bevorstehenden Einkesselung, überhaupt nie eine Warnung oder Durchsage von Seiten der Polizei gehört.
Auf der Brücke habe ich Folgendes beobachtet:
- Eine Freundin sah, wie eine Frau mit einem weinenden, völlig aufgelösten Kind aus der Absperrung wollte. Beide wurden zurückgeschickt, sie durften nicht weg.
- Als Sibel Arslan uns gegen Ende die letzten Bedingungen der Polizei erklären wollte, kamen im Hintergrund schon Polizisten in schwarzer Vollmontur in Formation angerückt und begannen, die Leute anzugreifen. Es gab wieder einiges Geschrei, Sibel Arslan konnte sich gerade noch dazwischen stellen und die Vermittlung wieder aufnehmen.
- An dem Punkt entschieden einige Kolleginnen und ich, jetzt definitiv zu gehen und uns der Kontrolle zu unterziehen. Ein Polizist und eine Polizistin baten mich dann am Rand der Gruppe noch kurz zu warten. Da sah ich plötzlich, wie Sibel Arslan von zwei Polizisten (gelbe Gilets) aus der Menge geschleift wurde, so dass ihre Füsse kaum mehr den Boden berührten. Erst, als ein Mann in Zivil (der Einsatzleiter?) kam und sagte: „Nein, Frau Arslan lassen wir, sie hat verhandelt“ wurde sie losgelassen.
- Während der Kontrolle wurden mein Gesicht ohne Maske und meine ID fotografiert. Auch meine Tasche wurde durchsucht, was ich aber erlaubt habe.
- Bei der letzten Runde der Verhandlung wurde gesagt, dass die Polizei sich verpflichtet, die Informationen aus der Personenkontrolle nicht weiterzugeben. Später las ich in der Zeitung, dass die Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden könnten.»
«Ich persönlich verspürte wenig Angst, da ich generell vom Typ her eher eine bin, die in Gefahrensituationen ruhig und still wird und ihre Gefühle ‚runterfährt‘. Bei meinen Freundinnen beobachtete ich Angst, Unsicherheit, Schock, Panik, Tränen, Wut, das Gefühl, ungerecht, unfair und unverhältnismässig behandelt worden zu sein. Diese Eindrücke – Ungerechtigkeit, Unverhältnismässigkeit – waren auch bei mir vorherrschend.
Meines Erachtens war die Abriegelung auf der Brücke geplant und wir sind als relativ leichte Beute (weil überschaubare Gruppengrösse) in die Falle gelaufen. Im Nachhinein hörte ich, dass man scheinbar auf einer Brücke eigentlich nicht einkesseln darf, wegen Suizid- und Unfallgefahr. Auch wurde aus der Verhandlung mit der Polizei überbracht, dass wir verstehen müssten, dass sich die Polizei jetzt unter Zugzwang befinde, das zu Ende zu bringen und etwas zu machen. Sie seien von rechter Seite unter Druck. Die Polizei gibt es also mehr oder weniger explizit zu, dass der Einsatz politisch, und nicht polizeilich oder wie auch immer begründet war.“
«Wir haben getanzt, uns an den besten Tag genau vor einem Jahr erinnert, dem Pflegepersonal beim Unispital applaudiert und «Scheiss Privatisierung» gerufen. Wir haben uns für Solidarität und Fragilität ausgesprochen, einander zugehört und uns zusammen gefreut. Die Freude war vorbei, als sich uns auf der Johanniterbrücke plötzlich Rambos*innen (?) in den Weg stellten und uns mit Händen, Absperrband und angedrohtem Gummischrot/Tränengas (ich kenne mich da nicht so aus mit euren Waffen) zurückdrängten.
Wir hatten anscheinend den Verkehr schon zu lange blockiert. Deshalb blockierte man uns und zusammen blockierten wir dann alle noch ein paar Stündli die Johanniterbrücke.
Wir wollten uns auflösen, das war dann aber nicht mehr erlaubt. Dann hiess es man dürfe gehen, wenn man seine Personalien aufnehmen lasse (es wurde dann auch ein Foto gemacht und die Taschen kontrolliert). Was mit den Daten danach passieren würde, konnte mir die Polizistin leider auch nicht sagen. Sie bräuchten die Namen auf jeden Fall für ihren Rapport darüber was sie hier machen würden. Eine ziemlich gute Frage. Denn was hier gerade genau passierte, schien niemand so genau zu wissen. Wer schützt hier eigentlich genau wen und vor was, fragt man sich in so einer Situation.
Später machte dann die Runde, dass der Polizeipräsident langsam die Nerven verliere…Oh äxgüsi wir wollten natürlich nicht Ihren Sonntag stören! Frauen scheinen Männern in Machtpositionen schon immer ein bisschen Angst gemacht zu haben. Und ein bunter Haufen Feminist*innen wohl sowieso. Vielleicht dachte man aber auch, dass wir uns gegen Repressionen am wenigstens zur Wehr setzen würden. Das schauen wir dann noch.
Bezüglich Gewalt kann ich folgendes berichten: Ich war ziemlich weit vorne im Demozug, als uns am Ende der Johanniterbrücke plötzlich Polizist*innen in Kampfmontur entgegenkamen. Als die ersten von uns verstanden hatte, was passierte, versuchten sie noch über die Treppe zum Rhein zu entkommen, wurden aber von mehreren Polizist*innen physisch daran gehindert. Ebenso richteten mindestens zwei Polizisten ihre Gummischrotgewehre aus nur etwa 5m Entfernung auf uns. Dann begannen sie ein Absperrband über die Strasse zu ziehen. Um dies zu verhindern versuchten einige, darunter auch ich, weiterzugehen. Dabei wurde ich von einem Polizisten, durch einen heftigen Stoss am Rücken, gehindert. Danach machte ich ein Foto des Polizisten. Als er dies bemerkte machte er auch eins von mir. Leider war mir nicht bewusst, dass er das nicht darf. Ich war aber auch ziemlich von der Situation überwältigt in den Moment und durch seine ganze Art und den Stoss eingeschüchtert. Auf dem Foto ist deutlich zu sehen, dass er seine Erkennungsnummer nicht trägt. Später hat er sie dann getragen und ich habe sie notiert.
Kurz darauf kam eine Frau mit einem etwa 8-10jährigen Mädchen zum Absperrband und fragte eine Polizistin, ob sie rausgehen dürfe. Das Mädchen weinte heftig, war offensichtlich total eingeschüchtert und panisch. Die Polizistin verneinte und stiess die beiden zurück. Auf die Frage, ob sie wisse, dass dies für das Mädchen traumatisierend sein könnte, entgegnete sie etwas undeutliches wie „das was wir tun sei traumatisierend“.»
Etwa eine halbe Stunde bevor alles vorbei war, haben eine Freundin und ich die Blockade „freiwillig“ verlassen. Wir mussten unsere ID zeigen, es wurde ein Foto gemacht und die Tasche durchsucht.»
«Es wurde komplett unangemessen auf den Demonstrationszug des Frauenstreiks reagiert. Ich möchte ein paar Worte dazu sagen – nicht namentlich erwähnt.
«Diejenigen die dafür verantwortlich sind, dass Menschen mit einer anderen Hautfarbe, in unserer Stadt täglich grundlos kontrolliert werden, also täglich Gewalt und Einschüchterung erfahren – sind die gleichen die uns Frauen und Flint den öffentlichen Raum wegnehmen möchten. Wir lassen uns jedoch weder vertreiben noch zum Schweigen bringen.
Die Aktionsform des Streiks – trägt es in sich, nicht um Erlaubnis zu fragen – Frauenstreik – Frauen wurden über hunderte von Jahren von der Öffentlihckeit ausgeschlossen. eingesperrt, bevormundet etc. – Frauen nehmen sich den öffentlichen Raum ungefragt!
Rädelsführerinnnen ausmachen zu wollen , Einzelne rauszupicken – ist eine zutiefst patrichale Machenschaft und Gedanke! Wir funktionieren grundsätzlich anders – in der gemeinsamen Verantwortung – mit z.b. einem offenen Mikrophon.
Wenn Frauen ( FLINT) über und zu der Gewalt an Frauen sprechen – zur Geschichte der Verfolgung von Frauen – wie der Hexenverfolgung – sich zu internationalen Kämpfen von Frauen verhalten wie z.B. zu Rojava (Nordostsyrien) , über die an ihnen vollgezogene Gewalt, Diskriminierung, Stigmatisierung sprechen, wenn sie über die unterbezahlte Arbeit – z.B. die systemrelevante Arbeit in den Krankenhäusern und Pflegeberufen, oder über die unbezahlte Reproduktionsarbeit sprechen – sich mit den am Sonntag im Unispital arbeitenden Frauen laut solidarisieren, sie – die an den Fenstern stehen – grüssen dann hat das mit Verbundenheit zu tun und der Wut von uns allen !!!
Wir lassen uns weder spalten noch teilen und schon gar nicht mundtot machen.
Aber wir teilen nicht die Logik der Vereinzelung und treten daher auch nicht einzeln auf .
Eine der Festgenommenen»
«Die Polizei hat ein mal mehr gezeigt, dass sie ihre Macht ausnutzt.
Die ausgeübte Gewalt und Repression waren unverhältnissmässig – wobei sich die Frage stellt, ob es überhaupt ein Verhältnis in diesem Machtgefälle geben kann…
Die Kantonspolizei hat genau das reproduziert, was die Demonstrierenden kritisierten: patriarchales Verhalten, Gewalt an TINF-Personen, Mackertum.
Sie hat physische und psychische Gewalt angewendet. Sie wollten uns mit ihrer Machtdemonstration einschüchtern.
Mindestens doppelt soviele Polizist*innen in Vollmontur, darunter keine einzige weiblich gelesene Person, wurde gegen die etwa 30 verbliebenen Demonstrierende eingesetzt. Die Bullen, offensichtlich stolz über ihre Position, richteten ihre Gummischrotgeschosse auf uns und zogen drohend Schlagstöcke hervor, schlugen damit vor sich herum und schrien uns an. Sie trugen Sibel Arslan von uns weg und sagten: jetzt gilt unser Tarif.
Von uns ging keine Eskalation aus!
Die Polizei hat die teilnehmenden Personen verbal beleidigt und psychisch und physisch gedemütigt. Sie sagten den Demonstrierenden u. a. «seid ruhig, ihr habt keine Ahnung ihr Idioten.»
Nachdem die Polizei den Demonstrierenden einen Deal vorgeschlagen hatte, und alle Demonstrierenden freiwillig zurPersonalienkontrolle gingen, respektierte die Polizei ihr versprechen nicht. Vielen droht nun trotzdem eine Weiterleitung der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft, 5 Personen wurden festgenommen, bei 1 davon wurde eine Leibesvisitation durchgeführt.
Die Polizist*innen konnten mehrheitlich nicht identifiziert werden (keine Namensschilder) und einige haben auf Anfrage den Namen und die Dienstnummer verweigert.
Die Polizei rechtfertigte sich für ihr unangebrachtes mackriges Verhalten mit dem Satz: «Wir haben druck von der SVP, wir müssen handeln.»
Was wir fordern: die von uns gemachten Fotos sowie aufgenommenen Daten müssen gelöscht und dürfen nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Wir möchten eine öffentliche Entschuldigung!
Wir lassen uns nicht von Mackern einschüchtern!
Und nochmals: Polizeigewalt wird viel öfter von von Rassismus betroffenen Personen erlebt, Gewalt allgemein gegen Personen die mehrfach diskriminiert werden!
«Der Demozug war von Anfang an friedlich: kein Vandalismus, keine grosse Menschengruppe, keine laute Musik. Nichts wurde gestört ausser vielleicht ein, zwei Trams. Doch wenn mensch bedenkt, dass es Sonntagabend war, die ruhigste Zeit der Woche, dann scheint dir Hauptargumentation der Polizei ziemlich lächerlich.
Die Relation, mit der sich die Polizei uns gegenüberstellte, schien total unrealistisch und unvorstellbar. Von beiden Seiten von dutzenden Kastenwägen, Polizist*innen und Robocops mit Gummischroten und Schlagstöcken an ihrer Seite eingekesselt zu werden, gab mir nicht das Gefühl, in einem egalitären, demokratischen und meinungsfreien Land zu leben, sondern ich fühlte mich in jener Situation völlig unterdrückt und minderwertig.
Die Verhältnisse auf der Brücke waren unmenschlich. Es war drückend schwül und heiss. Es gab kaum noch Wasser und Essen. Menschen, die sich mit uns auf der anderen Seite des Absperrbandes solidarisierten, wollten uns Essen und Trinken rübergeben. Doch bei uns kam nur das Rivella an und die TucTuc blieben hinter dem Sperrband.
Da eine Brücke ja nicht als Ort zum Verweilen konzipiert ist, musste hinter einem Transparent uriniert werden. Unmenschlicher wurde es noch, als der eine Polizist, welcher uns schon seit Beginn an filmte, auch eine Person am Urinieren filmisch festhalten musste. WTF!!!!
Es blieb weiter unmenschlich, als zwei Kastenwägen mit 50 km/h auf uns, eine bereits kontrollierte und auf die anderen Mitstreiter*innen wartende Menschenmenge, zu raste, dutzend Robocops raussprangen und ihre Gummischroten auf unsere Köpfe zielten. WT WT FFF!!
Bei meiner persönlichen Kontrolle wurde ich weder über den Ablauf noch über die Menschen, die mich kontrollierte, informiert. Hingegen starrten sie mir für zwei Minuten ins Gesicht und liessen mich im Unwissen und in Unsicherheit.
Ich bin sauer, ich bin enttäuscht, ich bin traurig, ich bin schockiert. Was von diesem Tag bzw. Erlebnis bleibt, ist nicht nur psychisches Trauma, sondern vor allem Wut und noch mehr Stärke weiterzukämpfen.»
«Nachdem die Personalien der Person neben mir auf der Brücke aufgenommen worden sind, kam ein weiterer Polizist dazu. Dieser dritte Polizist stand in weniger als 50cm Abstand zu der kontrollierten Person und kam dieser immer näher und hat auf diese Person eingeredet. Irgendwann griff er nach dem linken Arm der Person. Eine Person rief: „Hey! Lass sie los!“
Drei Polizist_innen haben der Demonstrierenden mit Gewalt die Hände mit Kabelbinder-Handschellen hinter dem Rücken zusammengebunden obwohl die Demonstrierende Person keinerlei Gewalt gezeigt hat.
Der Einsatzleiter Frei sagte zu Sibel, als er an mir vorbei lieft: „Du kannst ihr auch gleich sagen, wenn sie sich wehrt, wenden wir Gewalt an.“ Der Polizist, der vor mir stand sagte daraufhin: „Mach es doch einfach nicht kompliziert.“
Uns die Hände zusammen zu binden und uns so abzuführen, ist psychische Gewalt!
Es ist eine manipulative Strategie um uns schuldig fühlen zu lassen.
Doch wir sind nicht schuldig. Vielmehr sind wir viele und stark, wenn wir uns gegen unsere Unterdrückung und Sexismus und Rassismus wehren!»
14. Juni 2020 – der Druck im Brustkorb und der Knoten im Bauch
Ich, XXX war dabei. Ich war nicht bis zum aller letzten, bitteren Ende dabei, aber ich war dabei. Ich wurde wie viele andere TINF-Menschen (Trans, Inter, Nonbinär, Frauen) auf der Johanniterbrücke von der Polizei ohne jegliche Vorwarnung eingekesselt.
Die Demonstration begann sehr friedlich, ich fühlte mich stark und gut in der Gruppe. Ich spürte wie die Stadt für einen Tag uns gehörte. Wie wir TINF-Menschen zusammenstehen und Stärke zeigten. Es war schön.
Bis die Johanniterbrücke nicht mehr verlassbar war und die Polizei als purer Ausdruck ihrer Macht und als Repräsentant des Patriarchats ihre Aktion durchzog.
Ich fühlte mich klein. Ich fühlte mich Unwohl und Unbehagen. Ich sorgte mich um meine Freund*innen. Ich war froh, dass meine jüngere Schwester nicht dabei war. Sie würde bestimmt nie mehr an eine Demonstration gehen.
Ich fühlte absolute Wut und Trauer. Ich fühlte Unverständnis und Wortlosigkeit.
Ich fühlte Hass auf das Patriarchat.
Ich fühlte nichts mehr.
Nach langem Warten entschied sich meine Bezugsgruppe zu gehen. Der Druck wurde zu gross. Die Ungewissheit stieg und der Knoten im Bauch verbreitete Übelkeit.
Drei weisse als CIS-Männer gelesene Polizisten führten uns ab. Nun wurden diese durch zwei weitere als weisse CIS-Männer gelesene Polizisten ersezt die mich auf die Mitte der Brücke führten. Sie sprachen kaum. Schauten mich böse an. Gaben mir das Gefühl, Schwerverbrecherin zu sein. Sie kontrollierten meinen Ausweis. Fluchten. Fragten mich nach Wohnort. Ich zog Jacke, Schirm und Bauchtasche aus. Sie kontrollierten die Bauchtasche.
Ich hob alles auf. Ich musste mich wieder vermummen. Sie machten ein Foto.
Ich musste mich entmummen. Sie machten ein zweites Foto.
Sie schickten mich fort.
Eine Busse von hundert Franken werde mich erwarten.
Ich fühlte mich erschlagen. Der Druck im Brustkorb schien zu platzen.
Ich sorgte mich um meine restlichen Freund*innen, die noch immer kämpften und standhielten. Mein Herz und Kopf war bei ihnen.»
«Die Stimmung gestern war gut, der Zusammenhalt gross.
Als wir auf der Johanniterbrücke liefen und fast auf der kleinbasler Seite ankamen, wurden wir eingekesselt von mehreren Polizeiautos und Kastenwägen. Auf der Grossbasler Seite stiegen als erstes Robocops in Vollmontur aus und stellten sich in eine Reihe, dahinten Polizisten und ein paar Polizistinnen – viele hatten ihr Gesicht mit Sonnenbrille, Schals und Tüchern vermummt. Einige hatten Helme an. Auf der Kleinbasler Seite, viel näher bei uns ebenfalls teil vermummte Polizist*innen mit bereitgemachtem Pfefferspray und anderen Waffen. Namen und Dienstnummern waren bei den meisten verdeckt.
Wir wurden von ihnen eingekesselt wie Tiere. Viele von uns waren das erste Mal auf einer Demo. Frauen mit Kindern waren dabei, einige haben geweint und wir alle haben einander gehalten. Ich habe nicht gezählt wie viele Polizist*innen da waren, aber es waren viele, zu viele, unverhältnismässig viele.
Eine Zeit lang waren wir einfach eingekesselt ohne Information von der Polizei. Irgendwann sagten sie es gäbe Kontrollen. Danach kamen männliche Polizisten auf uns zu und nahmen drei von uns mit. Sie führten sie hinter die Wägen, damit wir nicht sehen konnten, was passiert. Dies wiederholten sie einige Male. Nach mehrmaligem Nachfragen sagte ein Polizist sie würden niemanden festnehmen, sie würden Ausweise kontrollieren.
Auf der Kleinbasler Seite hatten sich mittlerweile Menschen versammelt, die sich mit uns solidarisierten.
Als nächstes war ich dran mit einer Freundin. Wir wurden durch vier männlichen Polizisten voneinander getrennt, meine Freundin musste mit zwei Polizisten mitgehen, ich mit den anderen beiden. Ich musste meine Tasche leeren, meinen Ausweis hervorholen. Danach musste ich meine Schutzmaske abziehen und meinen Ausweis vor mich halten. Sie machten Fotos. Auf meine Frage ob sie das machen dürften, antworteten sie sie hätten das mit allen gemacht. Ihre Namen und Dienstnummern konnte ich nicht sehen. Auch hatten sie Masken an.
Danach liessen sie mich zu meiner Freundin und wir gingen. Hinter uns waren noch viele.
Während der Kundgebung gab es keine Streitigkeiten, Sprayereien oder Sachbeschädigungen. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass der Grund für die unverständliche Härte dieses unverhältnismässigen Einsatzes war, dass wir den Verkehr blockiert hätten. Um uns dafür zu bestrafen, hat die Polizei den kompletten Verkehr (auch für Fussgänger*innen) stundenlang lahmgelegt.»
«Der ganze Polizeieinsatz war absurd. Uns einzukesseln, Personenkontrollen durchzuführen und dafür zu bestrafen, dass wir auf die Strasse gehen und unser Recht auf freie Meinungsäusserung und Demonstrationsfreiheit wahrnehmen, das war eine bewusste politische Entscheidung auf Druck von Rechts. Ich meine, wie fühlt man sich als Frau*, wenn man von mehrheitlich männlichen Polizisten gekesselt wird? Wie fühlt mensch sich, wenn die Polizei handgreiflich wird, wenn mensch friedlich demonstriert? Es macht mich wütend, dass das vom Frauenstreik vom letzten Jahr übrig geblieben ist: eine patriarchale, machoide, repressive Gewaltdemonstration von Seiten der Polizei.»
«Ich hatte schon immer Angst vor der Polizei. Eine Art vorauseilender Gehorsam, das Gefühl, bestimmt irgendetwas falsch gemacht zu haben. Polizeigewalt im engen Sinne habe ich bisher noch nie erlebt. Mein Coping-Mechanismus ist Verdrängung, weswegen ich nicht gerne über die Ereignisse am Sonntag nachdenke. Sicher ist: Die Einkesselung passierte wahnsinnig schnell, es wurde nicht hinreichend kommuniziert, es ging um Macht, um die Wiederherstellung von (patriarchaler) „Ordnung“. Und: Die Demonstration von Gewaltbereitschaft, die Androhung von Gewalt ist Gewalt. Sie wurde von mir und von vielen Anwesenden als solche erlebt. Der Einsatz war in meiner Wahrnehmung ungerechtfertigt, übertrieben und gegen die ohnehin schon von Gewalt betroffenen Menschen gerichtet. Es wurde von der (überwiegend männlichen) Polizei kein Gedanke daran verschwendet, dass ihr Auftreten bei den Frauen und queeren Menschen (viele davon sehr jung) so einiges triggern könnte.»
Erfahrungsbericht zur Demonstration am 14. Juni 2020 in Basel
Wer spricht? Ich möchte diesem Bericht folgendes vorausschicken: Einzelne können nie für eine Gruppe oder ihre gesamte Dynamik sprechen. Viele Teilnehmer*innen der Demonstration mit denen ich gesprochen habe sind verstört, wütend, geschockt, traumatisiert oder fürchten sich – zu Recht – vor Repression oder Hate Speech. Auch mir geht es so. Die Erwartungen, dass die Teilnehmer*innen nun objektive, klare und strukturierte Beobachtungen auf die erfahrene Polizeigewalt formulieren, sind nicht leicht zu erfüllen.
Kommunikation: An einer Demonstration – egal ob bewilligt oder unbewilligt – ist die Kommunikation innerhalb der Gruppe nicht einfach gegeben. Entweder ist nicht bekannt, wem Folge zu leisten ist, oder – meistens – gibt es eine solche Person nicht. Letzteres war in meiner Wahrnehmung auch am letzten Sonntag der Fall. Dem gegenüber steht die straffe Organisation und kommunikative Koordination der anwesenden Polizei. Für mich war der erste Moment, wo ich den Eindruck hatte, dass nun eine transparente Kommunikationsituation mit den Demonstratiotionsteilnehmden geschaffen wird dann, als Sibel Arslan sich zwischen die Polizei und die Demonstrant*innen stellte. Mit erhobenen Händen sprach sie laut, und die Gruppe wiederholte leise die Informationen, die sie weitergab. Dieses Gespräch wurde durch die gewaltsame Abführung von Sibel Arslan durch die Polizeikräfte in Vollmontur verhindert. Alle vorherigen Kommunikationen die durch die Polizei oder teils durch Demonstrationsteilnehmer*innen per Megafon erreichten mich nicht oder nur zu kleinen Teilen, dies auch, weil ich als Risikogruppenangehörige darauf verzichtete, mich tief in die Menge zu mischen.
Charakter der Demonstration/Verhalten der Demonstrant*innen: Ich kam mit befreundeten Personen erst nach 15.24 Uhr auf die mittlere Brücke. Auf dem Weg dorthin sah ich keine Sachbeschädigung, kein Littering und die Anwesenden trugen in meiner Wahrnehmung zu mindestens 95% Masken. Ich folgte dem Aufruf, von der mittleren Brücke zum Spital zu gehen und sich dort solidarisch dem Pflegepersonal zu zeigen (auch, weil ein Durchkommen über die Mittlere Brücke Richtung Kleinbasel, wo ich danach hinwollte, nicht möglich zu sein schien). Auch unterwegs verhielten sich die Demonstrant*innen gesittet. Nach der Absperrung der Kleinbasler Seite auf der Johanniterbrücke wurde per Megaphon verkündet, dass die Demonstration nun friedlich aufzulösen sei. Wenige Sekunden danach traten Polizeikräfte auf die Menge zu und verkündeten eine Nulltoleranz bezüglich der Personenkontrollen. Wir bekräftigten gegenüber der Polizei, dass wir bereit sind, die Demonstration nun friedlich aufzulösen, dem wurde aber nicht mehr stattgegeben. Insgesamt nahm ich die Stimmung innerhalb der Teilnehmer*innen als ruhig und deeskalierend wahr, bis auf einzelne Momente, wo einzelne Teilnehmer*innen ihre Wut verbal, nie mit körperlichem Einsatz, kommunizierten.
Verhalten der Polizei: Die Polizei trat mit zunehmender Vehemenz und Demonstration von Gewalt auf. Spezifisch zwei Situationen erinnere ich: Erstens die bereits erwähnte gewaltsame Abführung von Sibel Arslan, die in dem Moment den Einsatzkräften den Rücken zuwandte und sie schreiend darum bat, sie loszulassen (vgl. Video in den Medien). Zweitens das Polizeiauto , das nach den Personenkontrollen beschleunigte, um sich einen Weg durch die Menschen zu bahnen, die immer noch auf der Strassae standen und die Freilassung der fest genommenen Personen forderten. Kurz danach beschimpfte ein hochgewachsener Polizist diese Personen indem er laut schreiend und gestikulierend die Reihe ablief. Der Beamte, der mich kontrollierte, verhielt sich korrekt. Der Einsatzleiter in Zivil adressierte uns als «meine» oder «liebe» (das erinnere ich nicht) «Damen» (das erinnere ich klar, was ich als sehr respektlos empfand.
Zum Hintergrund der Demonstration: Ich habe den letzten 14. Juni nicht in Basel verbracht. Für mich ist dieser Tag 2019 jedoch in die Geschichte eingegangen als Moment, wo FINT*-Personen (Frauen, Inter-, nonbinäre und Trans*-Personen) sich – geduldet von Polizei, Politik und Staat – Raum nahmen. Mit diesem Gefühl und einer damit einhergehenden Sicherheit ging ich (und ich denke auch viele weitere Personen) auch dieses Jahr auf die Strasse. Das Verhalten und die Gewaltbereitschaft der Basler Polizei stand für mich in einem krassen Widerspruch zu den Duldungen, die im Vorjahr in der gesamten Schweiz stattgefunden haben. Ich bin empört, wütend und enttäuscht.»
«Ich war da und ich spreche aus der Position einer weissen Cis-Frau. Ich habe Körper gesehen die sich gegenüber gepanzerten Uniformen in voller Spannung gewehrt haben. Die ihr Mund zu schreienden Grimassen formten und alles über ihre Zunge an das Ding gegenüber schleuderten. Daneben waren Menschen mit verschreckten Augen. Wir verschränkten unsere Arme miteinander, schlotternd waren alle. Aus Wut, Furcht, allgemeiner Erregung über dieses Vorgehen.
Für alles wofür wir uns die Strasse genommen haben, gegen vieles was wir während dieser Demonstration gelaufen sind, steht mit diesem Auftreten der Polizei vor uns. Sie nahmen uns die Bewegung, wie so oft. Präsentieren ihr Körper, mehr oder weniger uniformiert, die dazu gemacht sind rein durch ihre Erscheinung Gewalt gegenüber anderen Menschen auszuüben. In Moment, wo wir als Gruppe uns nochmals versichern wollten, ob auch alle das gleiche Verständnis über diesen sogenannten angebotenen Deal und seine Folgen hatten, im Moment wo mensch sich nochmals verbinden wollte, erhoben diese maskierten Uniformen ihre Schlagstöcke, in der anderen Hand den Pfeffer bereit. Alles was sie schufen war Angst und Wut. Was können sie anderes Erwarten als Widerstand. In allen Medien wird über die Polizei als Institution verhandelt, über ihre Auflösung bzw. Transformation diskutiert, und die Basler Polizei unter Baschi Dürr weiss nichts anderes, als unter etwas politischem Druck von Rechts sich als staatliche Institution gegen den Feminismus und den Kampf gegen jegliche Form der Unterdrückung zu stellen. Wer sich mit der Polizei befasst ist davon nicht unbedingt überrascht, dass es sich dabei um eine Institution mit sexistischen rassistischen homophoben und faschistischen Strukturen handelt, und ohne eine Transformation und Änderung von Systemen, wird auch in Zukunft nicht weniger Gewalt von Seiten der Polizei ausgehen.»
«Gestern waren wir auf der Strasse, um wie letztes Jahr gegen all die sexualisierte Gewalt die wir tagtäglich erleben zu protestieren. Und was passiert? Aggressive, männliche Polizisten ausgerüstet mit Schlagstöcken und Gummischrot-Gewehren umzingeln uns und ziehen ihre Stöcke raus. Der eine streichelt seinen Schlagstock dabei. Ein anderer lässt seine Muskeln spielen. Als ich mit ihnen mitgehen muss, stösst mich ein Polizist – mit seiner Hand voll auf meiner Brust – zum Geländer. Ich erwarte nicht, dass die Polizei nett mit mir oder unserem Protest umgeht, denn es ist ihre Aufgabe Demonstrationen zu unterbinden, Menschen einzuschüchtern und Gewalt anzuwenden. Der 14. Juni ist keine Ausnahme, solche Dinge passieren jeden Tag! Deswegen: wir kommen wieder!»
«Da die ganze Aktion so friedlich ablief war ich extrem überrumpelt als wir plötzlich eingekesselt waren und nicht mehr weg kamen. Verwirrung: Zusammen bleiben, Demo auflösen? Aber wir konnten ja gar nicht mehr weg. Viele wollten freiwillig von der Brücke als die Polizei uns einkesselte, aber da kamen wir schon nicht mehr weg. Zwar waren die Polizisten anfangs freundlich (ich war recht schnell durch die Kontrolle gekommen), dennoch war es ein extrem unangenehmes Gefühl so ausgeliefert zu sein. Wir waren friedlich, wollten die Demo auflösen.
Enttäuscht und traurig über diesen Ausgang, weil wir eigentlich in einen sehr Schönen Frauenstreik gestartet sind.»
“Friedlich demonstrieren war das eigentlich Ziel der ganzen Aktion. Noch nie habe ich mich so unfair und ungerecht behandelt gefühlt, als die Polizei uns eingekesselt hat. Mir wurde klar, wie machtlos ich sein kann und wie ich alles einfach über mich ergehen lassen musste. Ich habe gespurt, wurde relativ bald der Personenkontrolle unterzogen und die Polizisten waren nett zu mir. Aber es gab nicht mal die Chance noch zu gehen, sogar Menschen mit Kindern oder minderjährige durften nicht mehr an der Absperrung vorbei. Es hätte die Möglichkeit geben sollen, dass wir uns der Situation noch friedlich entziehen dürfen.“
«Der von Parlamentarier*innenseite vermittelte «Deal», es würde niemand verhaftet, die sich für eine Personenkontrolle kooperativ zeigt, war (abgesehen davon dass er seitens Polizei nicht eingehalten wurde) schwachsinnig. In anderen Worten lautet ein solcher «Deal» nämlich folgendermassen: gebt das auf, wofür ihr einsteht, sonst werdet ihr verklagt.
Die Demonstration hätte gut auf diese Selbstinszenierung der Politikerin verzichten können – die ungefragte Vermittlung hat unserer Forderung lediglich den Anschein einer schwachen Bitte verleiht.»
«Ja, die Polizei hat gestern mal wieder gezeigt, dass sie das Patriarchat schützen und das unser Widerstand sich somit auch gegen sie richtet und ernst zu nehmen ist.
Ernst zu nehmen ist, dass wir FLINT*-Menschen täglich Sexismus erleben, wir werden angepfiffen, wir werden kleingemacht, wir werden unterdrückt.
Ernst zu nehmen ist die Gewalt, die Inter- nonbinäre und Transmenschen erfahren, weil sie nicht in die bestehenden Kategorien gequetscht werden könne. Ernst zu nehmen ist auch nebst der Polizeigewalt, die gewisse von uns gestern erlebt haben, die Polizeigewalt die sonst auch täglich stattfindet: etwa rassistische Polizeikontrollen. Ernst zu nehmen ist die Gewalt die geflüchtete Menschen im Bundesasyllager in Basel erleben, die Medien zwar darüber berichten aber diese Securitas-Schlägertypen immer noch dort arbeiten. Ernst zu nehmen ist die BlackLivesMatter-Bewegung, die weltweit Rassismus anprangert und immer wie lauter wird.
Ernst zu nehmen sind wir weil wir viele sind, weil wir queerfeministisch, antirassistisch, antikapitalistisch sind, weil wir uns gegenseitig ernst nehmen, weil wir uns gegenseitig Mut geben, weil wir uns halt geben, weil wir uns gegenseitig wehren und gegenseitig helfen wieder aufzustehen.
Aus unseren tagtäglichen Erfahrungen, aus der Vergangenheit und verdammt nochmal auch noch in der Zukunft entsteht ein Schmerz, und entsteht Wut, welche wir gestern gemeinsam auf die Strasse getragen haben. Und genau deshalb fragen wir nicht nach um auf die Strasse zu gehen.
Vergessen wir nicht, weshalb wir gestern auf der Strasse waren. Wir kommen wieder.»
«Hallo ich habe gerade die Nachricht erreicht, die Polizeigewalt zu erzählen, die wir beim Frauenstreik erlebt haben. Ich persönlich habe die Polizeigewalt nicht miterlebt, jedoch als ein Nazi eine von uns mit rassistischen Bemerkungen angegriffen hat, hat die Polizei nichts unternommen. Ich bin sogar zum Polizist und habe gesagt eure Aufgabe ist es, uns vor Nazis zu schützen aber was ihr macht ist, eine friedliche Frauen*demo zu stoppen. Doch der Polizist hat trotzdem gar nichts unternommen.»
«Wir gingen auf die Strasse, weil wir wütend sind und genug haben. Genug von sexistischen Übergriffen, Diskriminierung und prekären Arbeitsbedingungen. Wir gingen gegen ein System auf die Strasse das auf rassistischer, sexistischer und kapitalistischer Gewalt basiert. Und so standen wir schnell dem repressiven Arm dieses Systems gegenüber: der Polizei. Die Polizei schützt strukturellen Sexismus und ihr Auftreten und Verhalten strotzt vor Testosteron. Wir brauchen keine Polizei, denn die Existenz der Polizei bedeutet Gewalt. Feuer und Flamme dem Patriarchat! Jeder Tag ist feministischer Kampftag!»
An einem Tag an dem TINF* trans, inter, nonbinäre Menschen und Frauen gegen Gewalt und Unterdrückung an TINF* trans, inter, nonbinäre Menschen und Frauen streiken, ist es erschreckend,dass Gewalt angewendet wird. Dass Gewalt von grossteils männlichen Polizisten angewendet wird an so einem Tag, zeigt und spiegelt das vorhandene Problem wider. Es macht mich traurig und wütend.
Eine friedliche Gruppe mit so einer Gewaltpräsenz zu unterdrücken, was soll das.
«Unser Grund auf die Strasse zu gehen ist die anhaltende, allumfassende Diskriminierung von Frauen*, auch faktische Lohndiskriminierung, werden jedoch durch das gemeinsame auf Strasse gehen bestärkt. Letztes Jahr genossen wir den sehr friedlichen Frauenstreik in vollen Zügen und so gingen wir zu dritt auch dieses Jahr zu den verschiedenen Orten wie Theaterplatz, Petersplatz und dann weiter. Wir waren von Anfang an auf der Mittleren Brücke und hörten uns die Beiträge an. Wir hörten keine Meldungen der Polizei und gingen weiter mit zum Spital, wo es weitere Reden gab. Als wir dann auf der Johanniterbrücke angelangt waren, wurden wir unvermittelt auf der Brücke eingekesselt und abgeriegelt. Bei diesem Polizeieinsatz in Vollmontur, wurden Waffen – wahrscheinlich Gewehre mit Gummischrot – demonstrativ gezeigt. Warum müssen wir, als nicht zu grosse Gruppe von Frauen*, diese Einschüchterung und Kriminalisierung erleben? Wir streikenden trugen Masken wie empfohlen, hielten uns in Bezugsgruppen auf und versuchten Abstand zu halten, wurden aber eingeengt, durchsucht, fotografiert und registriert. So ist covidgerechtes Verhalten nicht mehr möglich gewesen und die Daten der friedliche Demonstrantinnen* wurden erfasst. Es gab keine Chance, nicht einmal für zufällige Passantinnen, die Demonstration zu verlassen. Dieser Einsatz ging auf Kosten der Frauen* und macht uns wütend.»